Mittwoch, 23. Januar 2013

Für Zwischendurch: Eine Wienumrundung, Teil I: Freudenau - Alterlaa

Kraftwerk Freudenau - Kaiserebersdorf - Zentralfriedhof - Kledering - Laaer Berg - Oberlaa - Inzersdorf - Alterlaa

22.1. 2013. 25 km, 231 m Aufstieg. Wien XI, Wien X, Wien XXIII

Man will nicht einrosten und sich in Form für Bevorstehendes, Größeres halten. Also schiebe ich eine Wienumrundung ein.


Ich war noch nie in Donaumarina

Am Kraftwerk Freudenau
Rund um Wien gibt es mehrere Varianten für WanderInnen: Den Stadtwanderweg 10, den Stadtwanderweg 11 und den rundumadum - Weg der Uli Sima. Ich entschließe mich, auf Eklektiker zu machen und aus den Wegen zu kombinieren. Geplant sind 5 Etappen, in etwa 125 km insgesamt.
Ein Start an der Donau, gleich beim Kraftwerk erscheint mir angebracht. Die Anreise Richtung Freudenau erfolgt via U2 / Donaumarina und 80B. In Donaumarina war ich noch nie, sehr wohl aber der ÖGB, der hat nämlich seine Zentrale gleich neben der U2 Station.  Daneben ein mit Schüttbildern verziertes Parkhaus. Die Weiterreise durch den Donauhafen ist landschaftlich reizvoll, links Container, rechts Container, Containerschluchten. Das Kraftwerk Freudenau befindet sich im Winterschlaf, und der Donaukanal mündet träge in die Donau ein.


Weiter Richtung Simmering, über großzügig angelegte Überführungen, es werden nicht die letzten des Tages sein. Der Weihnachtscircus Belly bewirbt großflächig seine Vorstellungen bis Ende Jänner d.J..

 

Tag der Technologiepolitik

Sägespänesieberei und Holzmühle Hofmann
Heute schlackere ich mit den Ohren, denn ich "treffe" die ganze Zeit auf "alte Bekannte" aus dem beruflichen Umfeld. Schipanygasse, ein Stapel des Ziegelwerkes Pichler, Naturblumen Novak, Wäscherei und Färberei R. Goebel, Zinnergasse, Gadnergasse. Ein Deja vu jagt das andere.
Abgelenkt werde ich von den städtebaulichen Wundern in Simmering. Meinerseel, was ist denn den Architekten hier eingefallen - ein hässlicher Klotz nach dem anderen. Ein Klotz mutet sogar an als wäre er mit braunem Plastikfurnier verkleidet. Schön wäre es, könnte man diese Verbrechen einer Epoche zuordnen, etwa "Meinerseel, so hat man halt gebaut in den Fünfzigern!" - aber die Verbrechen ziehen sich bis ins Heute. Im Falter schreibt der junge Chorherr kürzlich, die Stadtplanung müsse aus der Vergangenheit lernen. Ja, bitte. Ein Posten der Firma Siwacht vor der örtlichen Raiffeisenkassa in der Etrichstrasse  erinnert mich daran, dass hier das "wilde" Simmering ist.
Beim Leberberg werden die Silos von Kleingartenhäusern zum ganzjährigen Wohnen abgelöst. Jede zweite Straße ist nach einem Simmeringer SPÖ-Bezirkskaiser aus der Mitte des letzten Jahrhunderts benannt, was in sich stimmig ist.
Schnurgerade geht es Richtung Zentralwerkstädte der Wiener Verkehrsbetriebe, an denen ich Richtung dem Bahnhof Kleinschwechat entlangschleiche. Die Awarenstraße und Alicestraße sind anheimelnde Gegenden Wiens, in denen der Leberberger Kleingärtner im Sommer heimlich seinen Grünschnitt ablagert. Links und rechts Industrie, zum Teil schon etwas überwuzlt, Höhepunkt ist die Holzmühle Hofmann (siehe Bild).  Aber auch "Buntmetalle Lanza" nimmt mich für sich ein, nicht nur wegen der Namensgleichheit mit dem zu früh verstorbenen Mario Lanza ("Serenade", "Der Fischer von Louisianna"), sondern auch wegen der Waschbetonfassade.  Jansky Tierbedarf, ABW Entsorgungsbetriebe, es riecht nach Kläranlage. Dann erstmals Blick aufs freie Feld, und in der Ferne der Verschubbahnhof Kledering.

 

Zwischen Zentralfriedhof und Kledering

Ich gehe entlang der Zentralfriedhofsmauer, Autos zischen an mir vorbei und ich freue mich auf den Verschubbahnhof. Andere würden den Weg durch den Friedhof wählen, aber ich will die Brücke über den Bahnhof nicht versäumen und bin wohl der erste in 2013, der über die Mylius-Bluntschi-Strasse geht. Hätte ich zu dem Zeitpunkt schon in Wikipedia nachgeschaut, ich hätte mich nicht im Geiste über den Vornamen Mylius lustig gemacht sondern ihn als Nachnamen eines der Architekten des Zentralfriedhofes identifiziert.
Der Zentralverschiebebahnhof Kledering ist ein früher Höhepunkt der Wienumrundung, Güterwagone soweit das Auge reicht. Ein Wermuthstropfen ist allerdings, dass die sensationelle Aussicht von der Brücke über den Bahnhof durch Milchglasscheiben behindert wird. Auch Geräuschmäßig macht der Bahnhof etwas her, wenn die scheinbar führerlosen Wagons über die Bremselemente des Abrollberges donnern. Im Hintergrund Windräder und startende und landende Flugzeuge runden den Ort stimmig ab.
Zentralverschiebebahnhof Kledering


Ein Sender am Laaer Berg

Laaer Berg
Der Unterschied, den Laaer Berg hinauf, zur Stimmung am Bahnhof könnte größer nicht sein. Wiener Nichts, schneebedeckte Wiesen, ein paar Hasen (die ich zuerst für kleine Rehe hielt) und Weingärten (Favoritner Satz?). Der Untergrund ist glatt und rutschig, der unsägliche Skireporter Hans Knaus würde die Verhältnisse wohl als "knusprig" bezeichnen.
Oben am Berg betrieb die Radio Austria eine Senderanlage, die ihre besten Zeiten vor langen langen Jahren gesehen haben muß, und in der Tat geht die Anlage auf den ersten Weltkrieg zurück; sie sei seitdem fast unverändert. Oben am Berg finden sich Eigenheimträume, und ich gehe durch die Sindelargasse, in der eternitverkleidete Hausfassaden noch hoch geschätzt werden.  Der Hunger meldet sich, ich würde mich über ein Gasthaus freuen, finde aber einen Anker. Vorbei an der Kolowratgasse, und der Qualtinger / Kraus klingt mir im Ohr. "Gestern habe ich mit dem Sascha Kolowrat draht, heute drah' I mit ...[ab]." Den gab's wirklich, den Kolowrat. Sachen gibt's.  Entlang des Kurparks gehe ich die Laaer-Berg-Straße hinunter nach Oberlaa, auf eine Kardinalschnitte.

Schwefel über Oberlaa

Wien. Am Ende.
Oberlaaer Wasser ist Schwefelwasser, das ist nicht zu überriechen. Die örtliche Pfarrkirche ist leider geschlossen, und so geht es ohne geistigen Einhalt hinunter zur Liesing, die munter in ihrem betonernen Bett dahinfließt und für den Rest des Tages meinen Weg vorgibt. Im Süden liegt Rothneusiedl und man fühlt sich dem Wiener Rand sehr nah. Weiter, in Richtung Inzersdorf.
Was könnte man in Wien für tolle Bildbänder gestalten! "Die 30 schönsten Autobahnunterführungen" oder "Die Sektionslokale der SPÖ Wien", ich würde sie mir alle kaufen. Rund um Inzersdorf feiern die Unterführungen jedenfalls fröhliche Urständ'. Ansonsten muß in diesen Gegenden das Auge schon geübt sein, um Punkte zu finden, auf denen es wohlwollend ruhen kann. Viel Industrie und Lagerflächen, Klosterfrau befindet sich hier und andere Pharmaunternehmen, Leuchtfabriken (Orion), ein Parkplatz der Badner Bahn. Die Fleischfabrik Inzersdorf ist zum Teilabriss vorgesehen.
In der Ferne die Wohntürme Alterlaas. Hier endet, an der U6, die erste Etappe.



Wahlkampf
Urbane Wegmacherei

Unter der Autobahn

Samstag, 12. Januar 2013

1160 - 4070: Ein Résumé. Oder der Versuch einer Vermessung

Insgesamt hat es ja vier Monate, mit vielen Pausen, gedauert, um von Ottakring nach Eferding zu gelangen. Zu Beginn war ich mir sicher: das schaffe ich in ein paar Wochen! Dann war die Überzeugung, noch weit im Herbst in Eferding anzugelangen, schließlich musste es noch eine Winteretappe sein. zunächst aber das Wichtigste in Kürze:

Ottakring - Eferding


  • 12 Etappen
  • Gesamtlänge: 313 km
  • Höhenmeter gesamt: 7.747 m
  • Distanz Luftlinie: 172 km
  • Ausgangsposition: N48 12.865 E16 20.028
  • Zielposition:   N48 18.418 E14 01.646



Etappe WegsteckekmHöhenmeter
1Wien - Rekawinkel29822
2Rekawinkel - Laaben21740
3Laaben - Wilhelmsburg321040
4Wilhelmsburg - Rabenstein21492
5Rabenstein - Texing21705
6Texing  - Scheibbs341014
7Scheibbs - St. Leonhard341420
8St. Leonhard - Böhlerwerk15357
9Böhlerwerk - Haag30491
10Haag - Enns2163
11Enns - Thurnharting33240
12Thurnharting - Eferding22363


 
  • Durchschnittliche Tagesetappe: 26 km, 645 Höhenmeter 
  • Die bewältigten Höhenmeter entsprechen in etwa der Höhe des einundzwanzigst höchsten Berges der Erde, des Kamet in Tibet. 
  • Ein hoch der ÖBB, die mich für zwölf Etappen 32 mal per Zug und acht mal mit dem Bus transportierten. 
  • Ich überschritt folgende Flüsse, nie jedoch die Donau:
    • Traisen
    • Pielach
    • Große Erlauf
    • Kleine Erlauf
    • Ybbs
    • Url
    • Ennskanal
    • Enns
    • Steyr
    • Krems
    • Innbach
  • 22 mal durfte ich  den Bahnhof Rekawinkel queren.


(Caveat: Die Karte ist nicht recht wahrhaftig, da ich beim Routen-Zeichnen auf Maps grandios scheitere. Aber es stimmt fast.)

Schließlich: Das kann's nicht gewesen sein. ich geh' wieder zurück.

Sonntag, 6. Januar 2013

Die letzte Etappe: Thurnharting - Eferding

Thurnharting (337 m) - Kirchberg (357 m) - Aichberg  - Forst - Raffelding (268 m) - Taubenbrunn (264 m) - Eferding (271 m)

11 Dezember 2012. 22 km. 363 Höhenmeter

"Nach Moskau! Nach Moskau" rufen die drei Schwestern. Ich rufe bloß: "Nach Eferding!", aber ich bin ja auch nicht Tschechow.

Was mich mit Tschechow nicht verbindet

Tschechow wäre wahrscheinlich auch nicht gegen vier Uhr früh aus seinem Bett gestiegen, hätte seine sieben Sachen zusammengepackt und wäre niemals zum Westbahnhof gefahren. Ich schon. Auch tendiere ich dazu, meine Zugverbindungen keinesfalls versäumen zu wollen und so bin ich für meinen Zug eher viel zu früh als zu spät. Der erste Zug gen Westen verlässt mit dem neuen Fahrplan Wien erst um halb sechs. Die Reise nach Linz gestaltet sich ereignislos und schlummernd. [Ein kleiner Exkurs. Meine Rückreise am selben Tag nach Wien ist deutlich ereignisreicher. Am Abend, im Großraumabteil, sitzt ein bekannter österreichischer Wirtschaftsführer mir gegenüber. Seine Ämter heute beschränken sich allerdings auf im weitesten Sinne Ehrenämter, schon auf Grund dessen, dass er vor Jahren das Pensionsalter erreicht hat. Er, der Wirtschaftsführer, reist mit seiner Frau, und diese spricht ihn nur in der dritten Person an. "Mag der Captain heute noch über den Weihnachtsmarkt bummeln oder mag er gleich ins Hotel?" "Mag der Captain heute noch seine Schwiegertochter treffen?" Beeindruckend. Ich erzähle meinem Freund P. diese Schnurre, und er meint richtigerweise, dass  die Menschen ihre Absurditäten doch besser im Schlafzimmer ausleben sollten, da gelangt man zumindest nicht in Kenntnis davon. Die Geschichte von meinem jungen, katholischen Sitznachbar, der während dieser Fahrt seiner jungen Gattin eine Powerpoint Weihnachtspräsentation (was auch immer das ist) gestaltete, lasse ich hier außen vor]

Aufbruchsstimmung in Thurnharting


Mit der Linzer Lokalbahn geht meine Reise nach Thurnharting. Thurnharting ist ein Vorort von Linz, schon unlängst als im Speckgürtel liegend klassifiziert. Es ist kalt, es ist windig und eisig, und die Wolken am Horizont versprechen Schnee. Gerade ist Biotonnenentlehrung, ich verfolge das Auto des Müllunternehmens Zellinger und den allgemeinen Aufbruch der Thurnhartinger zur Arbeit. Ein/e OberösterreicherIn, der/die auf sich hält, fährt halt spätestens um Sieben zur Arbeit. Von dieser Aufbruchsstimmung angesteckt blicke ich zurück auf den Sender Ansfelden und ziehe nach Westen. An der Ortsausfahrt ist ein größerer Bauernhof, der Christbäume feilbietet und für die hiesigen EisstockschützInnen eine Bahn aufgespritzt hat. Die Straße, der ich folge braucht nicht aufgespritzt werden um rutschig zu sein, und ich bewundere die KraftfahrerInnen, die beherzt und ohne Ketten mit Richtung Linz an mir vorbei ziehen. Es geht Richtung Kirchberg und das Wetter wird schlechter. Kirchberg, kein Juwel der Dörfer Rund um Linz, erschließt sich mir über die Sportstraße. Die Sportstraße ist, wie der Name schon sagt, gesäumt von Asphlatstock-, Tennis- bzw. Volleyballanlage und die dazugehörigen Stüberln. (Gut so, denn das einzige Gasthaus des Ortes wurde zum Gemeindezentrum umgestaltet.) Über Ortsplatz und Großharter Straße geht es weiter durch Wald und Flur nach Gumpolding, das sich etwa auf höhe von Straßham befindet.

Winter in Axberg

Endlich: Auf der letzten Etappe mein erstes Krone -Schild
Mittlerweile hat das Schneetreiben voll eingesetzt und macht das Gehen spannend. Grohart, Kleinhart, Ortsteile Axbergs. In Großhart hat sich ein Autobastler niedergelassen, dessen Sammlung sogar via Google Maps sichtbar ist. Die anderen Großharter werden es ihm wohl danken. Über die Alkovener Straße geht es weiter nach Axberg. Hier ist die Heimat des Reisetbauern, dem Brenner des Jahres 2012. Über die dortige Mostkost habe ich mich an anderer Stelle schon verbreitert. Inzwischen führt jedes Restaurant, das auf sich hält (sei es am Pogusch, der Gelbmann in Ottakring, der Schrot in Alkoven....) Produkte des Reisetbauern, und ich frage mich, ob dem Reisetbauern-Schnaps einmal das gleiche Schicksal ereilt wie jenes der Obstsorte Kiwi: nämlich das Schicksal des sozialen Abstiegs.
Das Plus des Ortes Axberg sind sicher die sprechenden Straßennamen: Apfelweg, Landlbirnweg, Kirschenstraße. Das Minus: eine den Ort dominierende 'Villa', deren Erbauer keine Geschmacklosigkeit ausgelassen und hinter verklinkerten Mauern sich unter anderem ein Badehäuschen mit dem Charme einer Bushaltestelle mit Giebel errichtet hat. Jedenfalls geht es weiter, über die besagte Kirschenstraße auf den Aichberg. Ich muss an Tschechow denken. In Aichberg residiert eine andere lokale Größe, das Wirtshaus Schober, das für mich naturgemäß geschlossen hat. Jedoch hätte ich hier gegen einen Tee nichts einzuwenden, der Winter zeigt hier, was einen Winter ausmacht.

Scharten links liegen gelassen


Verunmöglichte Landschaftsphotographie
Ab hier erhoffe ich mir nach jeder Wegbiegung einen Blick auf das Eferdinger Becken, aber so viel sei gleich verraten: Dieser Blick wird mir nicht vergönnt werden am heutigen Tage. ich fluche ein wenig, die abschüssigen Wegpassagen sind heute keine Freude. Kranzing, Forst, der Schneefall läßt nach. der Marienwallfahrtsort Scharten wird links liegen gelassen. In Forst residiert die Spitzwirtin, und ich erbitte mir bei ihr einen Kaffee, obwohl sie noch geschlossen hält. Nach kurzem Aufwärmen erklimme ich den Spitzberg, es geht weiter, an Puchham, dem Eferdinger Beckenblick und dem Firlinger Hof vorbei und am Landgasthof Reif in Richtung Staudach. Hier verlasse ich die das Eferdinger Becken einsäumenden Hügel und befinde mich in der Ebene. Hier, gleich neben der B 129, der Eferdinger Bundesstraße, die Linz mit Passau verbindet, gräbt der lokale Schotterbaron Löcher. In Raffelding über die besagte Bundesstraße, Fischer Mühle, Inn, Oberschaden, ich bin dem Ziel sehr nah. Schließlich Eferding. Ich klettere über den Gartenzaun und freue mich.



Ich möchte es nochmals machen