Mittwoch, 5. September 2012

Die Klammer - Teil I

Machen wir uns Gedanken über das Verbindende. Was verbindet Menschen und Landschaften auf meiner Wanderung bisher, von Wien nach Texing?

Von Michael Spindelegger zum Verschleiß gebrauchter Badewannen 

Zunächst hatte ich mir kurz gedacht, dass es ein reichlich bizarres Vorhaben wäre, nur durch von ÖVP -Bürgermeistern regierten Gemeinden nach Eferding zu wandern. Ein Michael Spindelegger-Solidaritäts-Ausflug, quasi. (In Wien wär's schwer gewesen, aber vielleicht über Umwege durch VP-regierte Bezirke möglich).Zuerst kam mir der Gedanke, als ich in den Oberösterreichischen Nachrichten ein Interview mit Christoph Leitl las, der meinte,  "Spinelegger bemühe sich sehr." (Höchststrafe I). Und dann, die Sommergespräche mit Armin Wolf (Höchststrafe II + III + IV). Da hüpfen in einer Einspielung Spindeleggers Familie und Freunde, nicht nur politisch unbedarfte Menschen,  bildlich gesprochen auf den noch nicht offiziell für tot erklärten Außenminister herum und man fragt sich, ob sie es genüsslich tun. Aber genug, an dieser Stelle bremse ich mein Mitleid, genauso wie das TV Tagebuch des Standard. Reden wir über die wichtigen Dinge, reden wir über den Verschleiß gebrauchter Badewannen.

Der Angelpunkt moderner Viehzucht

Man wird aus den vorangegangen Beiträgen gemerkt haben - das Wesen der Kuh, ihre Aufzucht und Haltung fasziniert mich. Ich konstatierte bereits eine Monokultur in der Haltung der Milchkuh, und auch ihr Wesen habe ich das eine oder andere mal kritisch kommentiert. Jedenfalls weiß ich nach fünf Tagen, in denen ich so manches Kuhgatter durchschritten habe, was wirklich die Kuhhaltung in Ostösterreich zusammenhält. Die gebrauchte Badewanne.

Die gebrauchte Badewanne steht in einer Vielzahl auf den Kuhweiden Ostösterreichs herum, genutzt als Tränke, meist gefüllt mit, nennen wir es brackigem Wasser, und ich Frage mich, ob in den von mir durchwanderten Regionen die leidgeprüfte Bäuerin / der leidgeprüfte Bauer in den letzten 10, 15 Jahren noch in der Lage war, ihre müden Glieder in der häuslichen Badewanne zu entspannen. Oder gibt es im bäuerlichen Heim in Wirklichkeit nur noch Duschtassen, weil die Badewanne nur mehr der Kuhzucht dient? Wäre ich in den 60igern des vorigen Jahrhunderts geboren, ich wäre Verschleißer gebrauchter Badewannen in den Bezirken Wien-Umgebung, St. Pölten. St. Pölten-Land, Lilienfeld, Melk etc. geworden. Der Weg zum Reichtum bleibt mir so jedoch verstellt.
Fast vollständig verdrängt: die fahrbare Weidetränke


Das Geburtstags- bzw. Geburtentransparent

Es ist völlig egal, das man die Texte auf dem beigefügten Photos nicht entziffern kann - es ist das Lebensgefühl, was zählt. Obwohl, das Photo ist untypisch. Meist steht das transparent in einem Vorgarten. Meist ist es umrankt von Luftballons (Geburtstag) bzw. von ältlicher, ausgeblichener Kinderwäsche (im Falle des Geburtstransparentes). Der Text am Transparent ist in Reimform. "Der Karl bereist die ganze Welt, mit der Voit verdient er dort jede Menge Geld. Nun ist er auch schon 30 Jahr etc. etc". Oder: "Die Monika ist 40 Jahr', 40 Zwergerln bringen ihr hier ein Geständnis dar etc. etc. etc." Oder. "Der Hansi, der alte Büchsenmacher etc....Nun ist endlich der Nachwuchs dar, möge er gedeihen auf viele Jahr etc. etc. etc." Die  grafische Gestaltung ist gemeinhin verbesserungswürdig. Leintuch, Stoff, bunte Filzstifte. Vereinzelt in Kombination mit Pappstörchen, Verkehrsschildern (etwa ein durchgestrichener 40iger) und größeren Photos zu finden.

Demnächst: 'Die Blumenschmuckaktion' und 'die Farbe meines Eigenheims'. 

Die fünfte Etappe - ein Einschub von Wilhelmsburg nach Laaben.

Wilhelmsburg (321m) - Ochsenburger Hütte (594m) - Wald (340m)  - Frahrafeld - Hegerberghütte (655m)  - Stössing (344m) - Hochgschaid (610mLaaben (347m)

4. September 2012. 32 km, 1.040 m Aufstieg, 1030 m Abstieg.


Der Weg führt aus dem Wienerwald, wiederum entlang des Weitwanderweges 04 bzw. des Wienerwaldweges 404, von der Traisen in den Wienerwald. Wie schon erwähnt ist diese Etappe ein Nachtrag, nachdem ich sie mir erst unlängst erspart habe. Aus anreisetechnischen Gründen gehe ich sie verkehrt, also Richtung Wien statt Richtung Eferding.



Hütten-Sanierungs-Programm-Evaluator

Fast hätte ich auf diesem Teilstück einen Mitwanderer gehabt, H. Aber H. hatte gleich zu Beginn Bedenken geäußert - (i) warum gehen wir in einem so großen Bogen, (ii) wann müssen wir aufstehen, (iii) wo können wir zu Mittag essen u.ä. Nebensächlichkeiten.  Schließlich hat er eine unter Zeitdruck fertigzustellende Studie vorgeschützt und seine Begleitung auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Zumindest was die Einnahme des Mittagsmahls betrifft war dies ein Fehler - so dicht wie hier war die Wirtshaus- und ADEG-Kette noch nie.
Hütten-Sanierungs-Programm
Andererseits, er hat sich auch etwas erspart. Ich starte gegen sechs Uhr von Ottakring und reise via St. Pölten nach Wilhelmsburg. Bei meinem ersten Besuch habe ich Kirche und Hauptplatz links liegen gelassen und das war ein Fehler, hier gibt's einige mittelalterlichen Perlen und ein Konsulat der Republique du Tchad. Zu Beginn meiner Etappe besichtige ich dann eher unfreiwillig die Siedlungen entlang der Traisen, weil es mir nicht und nicht gelingt, den Weg zu treffen. Erst nach einiger Zeit werde ich fündig und es geht, durch einen Wilhelmsburger Nobelvorort auf die Galgenberg-Strecke (inkl. alter Richtstätte), von der ich mir erhoffe dass sie mich auf die Ochsenberger Hütte führt. Der Weg führt größtenteils über eine Forststraße und fast bis zur Anhöhe höre ich im Hintergrund das Rauschen des Verkehrs im Traisental. Zu meiner Überraschung ist die Ochsenburger Hütte geöffnet. Beim Eingang hängt ein Schild, dass die Hütte der hiesigen Naturfreunde im Rahmen eines Hütten-Sanierungs-Programms seitens des bmwfj renoviert worden war und ich mache mir Gedanken, ob ich nicht Hütten-Sanierungs-Programm-Evaluator werden sollte. Von da an geht es recht flach weiter, und wäre es nicht so diesig, könnte man wahrscheinlich die Fernsicht nach Norden und Süden genießen.  Der Ausblick ist also vergällt und ich komme, nach kurzer Strecke über Asphalt, über eine Wiese zum Abstieg durch den Kyrnberger Wald. Der Abstieg kann etwas, nasser Lehmboden, schlecht beschildert, man geht durch mannshohe Gestrüpp - nicht die schönste und angenehmste Art zu wandern.


Im Wald einer Fisolensuppe entgegen

Schließlich - Wald - eine Ortschaft, die fürwahr ihren Namen verdient hat. Wald hat ein Schloß und einige Nebengebäude, einen forstwirtschaftlichen Betrieb (nona), eine Bushaltestation mit Landesstraße und einige Einfamilienhäuser. Der Quadratmeter Grund kostet in Wald 50 €. Ob es Einwohner hat, ist unklar. Ich schließe aber aus der Existenz eines großen Feuerwehrhauses und aus dem sehr gepflegten Zustand des nicht mehr ganz frisch renovierten Schlosses bzw. der Gärten, dass man hier nicht abgesiedelt wurde. An einigen Koppeln vorbei geht es weiter wieder den Berg hinauf. Puristen mögen es Hügel nennen, mir war's ein Berg.   
Oben geht's eintlang eines Forstweges weiter zum Abstieg Richtung Frahrafeld. Ab und an hüpfen fingerhutgroße Frösche empört aus ihren Pfützen auf, wenn ich an ihnen vorbei gehe. Vor meinem geistigen Auge erscheint S., die als beherzte Biologin jetzt sicher einen gefangen hätte; aber in diesem Moment hatte ich es nicht so mit dem Bücken.  Frahrafeld hat dankenswerter Weise ein Gasthaus und obgleich als Menü heute Toast und Pizzaschnitte ausgewiesen wäre wird mir Fisolensuppe serviert. Das Gasthaus weist alle Merkmale eines Richtigen Landgasthauses auf: Eine ehrwürdige Schank, eine Glasvitrine, in der früher der Speck und das Geselchte aufbewahrt worden ist, eine Pokalsammlung, einen rustikalen Abtritt. Der freundliche Wirt bespricht mit dem einzigen anderen Gast neben seinem nächsten Bauvorhaben mit der "Siebener Schalung" meinen weiteren Weg. "Aufi auf die Hüttn, a Stund. Waun er guad is. Owi nach Stössing, nu a Stund. Daun aufi noch Gscheid, wieda a Stund. und dann owi, wieder...." Es ist schon ein Uhr, mir wird ganz anders. Ein leicht höhnischer H. erklärt mir fernmündlich, mein letzter Bus aus Laaben startet um sechs Uhr.


Eigentlich habe ich es nicht so mit dem Hügeligen

Spuren landwirtschaftlicher Nutzung
Eigentlich habe ich es nicht so mit dem Hügeligen. Aber hier gibt es so manche davon und es geht nach der ausgezeichneten Suppe wieder die Anhöhe hinauf. Oben erwahrtet mich mein bereits dritter Schilift dieser Reise und die dazugehörige, auch mit dem Auto erreichbare Hegerberghütte (höchste Erhebung im Bezirk Sankt Pölten). Weiter über Asphalt, Mostobst- und Kuhwiesen nach Stössing. Stössing hat alles: Kindergarten, Volksschule, Spielplatz, Reststoffsammelzentrum, ADEG, Glasscherbenviertel und 371 Einwohner, von denen ich eine Person sehe. Steil runter, steil rauf Richtung Hochgschaid. In Hochgschaid dann doch noch eine Begegnung mit zwei lebhaften Hunden, namentlich Asta und Rocky, wie ich aus den immer hysterischer werdenden Schreien der Hundehalterin entnehme. Mit Feuereifer gehe ich den Abstieg nach Laaben an. Dort labe ich mich in der schon einmal aufgesuchten Julius-Meinl-Gedächtnis-Greißlerei, und etwas ermattet reise ich via Eichgraben zurück nach Ottakring.  


Mein Freund M. hat mir, es ist gar nicht so lange her, Bill Bryson's fein erzähltes Buch (A Walk in the Woods) über dessen Wanderung entlang des Appalachian Trail geliehen. Ja, der Appalachian Trail ist ein bisschen weiter als meiner (> 3.000 km) und, nennen wir es naturnäher - so muss ich mir etwa keine Sorgen darüber zu machen, einem Bären zu begegnen. Bryson geht einen Teil des Weges am Stück, einen anderen wieder, so wie ich, in Etappen, in Tagesetappen. Und er weiss was vorzuziehen ist - nämlich am Stück zu gehen, also den Rucksack zu packen und für (mehr als einen Tag) loszuziehen. Daran muss ich während meiner Rückreise nach Wien, allein im Postbus, denken und an Brysons Beschwerden, er würde  zu viele Menschen am Trail treffen. ich kann, obgleich viel näher an der Zivilisation, diese Beschwerde für meinen Weg nicht teilen.