Sonntag, 3. März 2013

Wienumrundung III: Gerasdorf - Nußdorf


Gerasdorf – Bahnstraße – Marchfeldkanal – Stammersdorf – Bisamberg – Wagramer Straße – Jedlersee – Nußdorf. 27 km

2. März 2013.

Auf nach Gerasdorf!  8.35 Ankunft, Der Slogan der Gemeinde lautet „Fühl mich wohl bei dir.“. Der Zug führe weiter, nach Mistelbach. Eine Werbung am Bahnhof verwirrt mich: „Obdachlos in Gerasdorf!“ – aber wenig später finde ich heraus, dass hier ein Immobilienmakler für seine Dienste wirbt.  Der Bahnhofswirt, der frühere legendäre „Zum Joschi“, wurde neu übernommen und heißt mittlerweile „Kathi und Marto“. Im Lokal überwiegt immer noch der resopalerne Charme, auch wenn Sportwettenautomaten und ein Großbildschirm eingezogen sind, auf dem die Wiederholung eines Damen-Beach-Volleyball- Turniers läuft. Der Stammtisch wurde noch vom „Zum Joschi“ übernommen, an dem drei ältere bis alte Herren sitzen. Einer von ihnen hat in einer Hand ein Achterl, mit dem Rücken der anderen streicht er gedankenverloren über eine große Bona-Öl-Dose, die vor ihm steht.

Der „Joschi“ ist in Pension

Die Schrankenanlage am Bahnhof ist offensichtlich ausgefallen, und zwei mürrische Herren der ÖBB müssen seine Rolle übernehmen. Gleich daneben befindet sich Lagerhaus und ein gar nicht einmal schmächtiger Lagerhausturm, ein untrügliches Zeichen, sich auf niederösterreichischem Boden zu befinden. Es ist der zweite Tag der Sedisvakanz und der Vortag der niederösterreichischen Landtagswahl und verschiedene wahlwerbende Gruppierungen haben entsprechende Plakate affichiert: „Saubere Madeleine“ oder „Wählen Sie Mandl, Mag., Lukas!“. „Mut zur Heimat.“, „Klar entscheiden“ u.ä.  Ich gehe entlang der Bahnstraße, die niedrigen Häuser und die Erdkeller erinnern eher an einen Weinbauernort. Aber wohl gehört Gerasdorf eh zum Weinviertel. Später folge ich dem Gemeindeweg, biege nach Norden ab, Richtung Machfeldkanal. Vor mir hüpft ein falscher Wiederhopf und begleitet mich ein Stück des Weges. Mein nächstes Ziel ist Stammersdorf, und in der Ferne sehe ich Donauturm und Milleniumstower.

Pralles Leben auf den zweiten Blick

Der Marchfeldkanal wurde Anfang der 80iger gegraben, um zu verhindern, dass der Grundwasserspiegel im Marchfeld absinkt. Offensichtlich war dieser in den Siebzigern massiv gesunken, was insofern bedenklich ist / war, weil eben das Marchfeld als Kornkammer und Gemüsegarten Österreichs gilt und gleichzeitig das größte Grundwasserreservoir Österreichs sei. Bei Langenzersdorf wird er, der Kanal, mit Wasser der neuen Donau gespeist und reicht bis zum Rußbach bei Deutsch Wagram. (Interessanterweise fließt nicht der Rußbach durch Niederrußbach und Oberrußbach im Weinviertel sondern der Hundsgraben. Warum nur? Eine offene Forschungsfrage für HeimatkundlerInnen!) An einer Schautafel steht hier am Kanal zu lesen: „Das pralle Leben im und rings um das Gewässer enthüllt sich erst auf den zweiten Blick“.
Auch muß ich zugeben, dass ich schon hier zu schwächeln beginne, der Muskelkater vom Vortag (und das Ölmützer Schnitzel…) sowie das mangelnde Training der Vormonate  fordern Tribut.


Die Wessely am Bisamberg


Langsam nähert man sich dem Bisamberg, und ich genieße Sonne und freue mich auf den Fernblick. Erstmals bergauf, weit kann er nicht sein, der Bisamberg. Entlang der Brünner Straße geht es zum Rendezvous Berg, bei dem ich (nur mit Mühe) die Brünner Straße quere. Hier hatte Erzherzog Karl 1809 den französischen Kaiser getroffen, und gleich mehrere österreichische Kaiser hatten hier eine Jagdhütte, unter anderem auch Franz Stefan, der Gatte Maria Theresias. Seine Jagdgesellschaften hätten den Berg hier als Treffpunkt, quasi als Rendezvous, gewählt. Ich entsinne mich aber dunkel an einen alten österreichischen Film aus den Fünfzigern, Paula Wessely gab die Maria Theresia, der Fred Liewehr den Franz Stefan, und an das verbitterte Gesicht der Wessely, weil sie den Kaiser (Liewehr) bei seiner Geliebten wähnte. Wer weiß ob hier wirklich bloß der Treffpunkt der hochherrschaftlichen Jagdgesellschaft war oder ob der Maria Theresia bei der Erwähnung des „Rendezvous-Berges“ immer das sprichwörtliche G’impfte aufgegangen ist.


Ein Gulasch vom Gehrer?

Langsam wird es Mittag, und ich strebe dem Magdalenenhof zu, der ja am Bisamberg thront. Ich gehe zuerst über eine G’stetten, die in der Wissenschaft, so entnehme ich es einer Schautafel, als „Ruralfläche“ firmiert. Wie den Horizont beschreiben? Wunderbare Ausblicke vom Rinterzelt bis zum Kahlenberg. Meere von Windrädern. In der Ferne die Schlote der Kraftwerke, die Platte, der Donauturm. Ein verschwindender Stephansdom, Milleniumstower, müllverbrennender Hundertwasser. Zwischenzeitlich blinkt die goldene Kuppel des Wasserturms in Favoriten. Beim 63er Wald geht es über ein Schneefeld (die Alpinisten würden Tränen lachen, mir ist es anstrengend genug) weiter, zur Hagenbrunner Straße.

„Die Donau blitzt aus tiefem Grund,
der Stephansturm auch ganz von fern,
guckt übern Berg und säh´ mich gern ...“


  ist die Inschrift des_Eichendorff Denkmals, der hier offensichtlich öfters lustwandelte. Warum ein Oberschlesier den Bisamberg besingt, hat sich mir noch nicht erschlossen.
  Und firmiert der Magdalenenhof? Nein, das Gasthaus ist „bis auf weiteres“ geschlossen, man freue sich auf ein baldiges Wiedersehen. Ich ziehe nicht als einziger enttäuscht weiter. Als Abstieg wähle ich mehr zufällig als beabsichtigt den Klausgraben, der den Bisamberg tief einschneidet. An der linken und rechten Flanke „kleben“ Häuser und ich bewundere abenteuerliche Auffahrten zu schmucken Eigenheimen; ein/e besonders findige/r Häuslbesitzer/in hat sich sogar eine kleine Materialseilbahn gezimmert. Unten angekommen kommt mir die gegend bekannt vor, und tatsächlich, wenige hunderte Meter vom Klausgraben ist der Hauerbetrieb Schilling. Hier hat meine älteste Freundin (alt nicht im biologischen Sinn) ihr rauschendes Hochzeitsfest begangen, aber leider, zu Mittag hat der Schilling geschlossen. Also ums Eck zum Vintschger’l, die Braut wurde seinerzeit hierher nicht entführt, aber das hätte man durchaus andenken können.

Avenue Wagram, Schnellbahnunterführungen und Jedlersee

Bei der Strebersdorfer Schnellbahnstation geht’s dann weiter, Autokaderstrasse (ein wundervoller Name), und über die Jedlerseer Brücke zur Donauinsel.  Ich bin mürbe und will heim. Über den Nordsteig zum Endpunkt, die Schnellbahnstation Nußdorf.


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