1. März 2013
Kaisermühlen - Lobau – Dechantlacke –
Napoleonweg - Essling - Neuessling - Hirschstätten - Breitenlee - Gerasdorf.
26 km, 120m Aufstieg, 134m Abstieg.
Vor gar nicht allzu langer Zeit dürfte die Donau
Hochwasser geführt haben, ein paar Schlammreste auf der Straße zeugen davon, aber
auch die noch nicht entfernten Absperrungen. Ich gehe entlang des Kaisermühlendamms
in Richtung Villa Wahnsinn. Später heißt‘s dann Biberhaufenweg, und man sieht hier,
gegenüber der Donauinsel und wenig später in der Lobau, die Spuren der
namensgebenden Viecher.
Chefredakteure, ihre Kalbsbackerln und die Windräder
Beim „Roten Hiasl“, einem wenig einladen Lokal („erste
Wiener Fahrradtankstelle“) zweige ich in Richtung Lobau ab und besuche das
Nationalparkhaus Lobau, das auf die Liste „das kann ich auch mal mit den
Kindern besuchen“ kommt.
Kein Bärlauch an der Dechantenlacke
Die Dechant-Lacke und das sie bewohnende
Schwanenpaar leiden unter den Resten ihrer winterlichen Decke. Ringsum zwischen
Birken, Weiden und Pappeln keine Spur von Bärlauch oder auch nur Bärlauchspitzerln;
es war ohnehin nur eine kurze, in mir aufkeimende Hoffnung. Nach dem Josefsteig
stoße ich auf die Vorwerkstraße, und unter mächtigen Starktromleitungen komme
ich zum Napoleonstein. Hier zweigt der Weg
Richtung Essling ab, und auf dem Schotter begegnet mir eine überschminkte
Dame mit wallendem Mantel und in Stöckelschuhen, die mit ihrem Vater, am
Telefon, ihre Beziehungsprobleme mit einem ‚Rainer‘ diskutiert und so gar nicht
hierher passt. Links Schilf, rechts landwirtschaftliche Nutzfläche mit einem
einsamen schwarzen Raben.
Bei der Esslinger Furt
verlasse ich die Lobau. Das im chinesischen Stil gehaltene Gasthaus „Jadewald“
ist wegen Umbau geschlossen, im reich verzierten Betonbiotop im Gastgarten
tummeln sich keine übergewichtigen Goldfische, sondern am Grund des Beckens liegen
nur die Reste eines japanischen Zierapfels.
Hier hat das Haus noch Grund und Esslings Liebreiz
In der Kirschenalle hat das
Haus noch Grund. Umso mehr ist es verwunderlich, dass einer der
Eigenheimbesitzer seinen gesamten Garten, ja, asphaltiert hat. Ein paar weiße Parkplatzstreifen
sind die einzige Zierde hier, und kein Grashalm stört das Idyll. Ansonsten ist
zur schnurgerade Kirschenallee zu sagen, dass sie von Kirschbäumen gesäumt ist
und mit ihren über 118 Nummern durchaus Länge aufweist.
Esslings Liebreiz ist
endend wollend. Hier versage ich mir, das Wiener Restaurant „Esslinger Queen“
aufzusuchen und nehme meine Jause im örtlichen Zielpunkt ein. Dort, eine
Leberkäsesemmel eröffnend, werfe ich einen Blick auf meine emails. H.
berichtet, dass er an diesem Tage zu seiner Weltreise aufgebrochen ist – Mumbai,
Osterinseln, Japan und ähnliches. Nach Essling kommt er nicht. Essling geht in
Neuessling über, vorher durchquere ich noch den Wald der jungen WienerInnen aus
dem Jahre 1998, eine Aufforstungsaktion der MA49. 10.000 Bäume werden p.a. in
den waldärmeren Gegenden Wiens gepflanzt, 15 Jahre sind jedenfalls kein Alter
für einen Wald.
Skaleneffekte im Neubau
Dann stoße ich auf
klassische Neubaugebiete rund um die Karl Beck Straße. Die Polizei greift hier
regelmäßig betrunkene Familienväter auf, weil sie ihre Häuser nicht
unterscheiden können und den Heimweg nicht mehr finden. Kein Wunder, selbst die
vertrockneten Erika-Stöckerl auf den Klofenstersimsen gleichen einem den
anderen, von Haus zu Haus. Aber auch ein wenig weiter, in der Casinonestraße,
haben die BauherrInnen bis in die letzte Konsequenz Skaleneffekte lukriert. Es
wäre ein interessantes Projekt, einmal die Einfamilien-Neubausiedlungen der
letzten Jahre zu dokumentieren. Die architektonische Uniformität ist jedenfalls
am Vormarsch. Ich bin froh, wieder in Gegenden zu kommen, in denen die
Siebziger und Achtziger dominieren und die obligaten Steinlöwen am Gartentor.
Vom Telefonweg (mit 8 km
angeblich Wiens längster Weg) geht es weiter Richtung Hajdjöchl. Hier sehe ich
wieder ein Glashaus, von denen ich, angesichts der vielen wässrigen Wiener
Gurken und Tomaten, hier im Zentrum der Wiener GärtnerInnen, vielmehr erwartet
hätte. Man versteht sich hier auf das Flicken zerborstener Glashausglasflächen,
nicht nur eine Scheibe ist in Eigenregie repariert. Weiter auf der
Ostbahnbegleitstraße, die im übrigen erst 1988 so benannt wurde und von wenig
Phantasie in der Straßennamengestaltung in der ersten Legislaturperiode Zilk
zeugt.
An der Stadtentwicklung vorbei
Hier, irgendwo zwischen Telefonweg
und Ostbahnbegleitstraße, verliere ich den Faden und somit den Weg. Ein Grund
hierfür ist sicher der mächtige Betonguß am Horizont, der Schotterberg und das
lange Grübeln, was zum Teufel das hier wohl eigentlich ist – das Stadterweiterungsgebiet
Seestadt Aspern. Heute besteht es noch
aus einer einsam im Wind flatternden Fahne und einer Bohranlage zur Sondierung
der Geothermie. Vom ehemaligen Flugfeld oder den späteren Autorennen dort
findet man keine Spur. Ich habe also den markierten Weg verlassen, und anstatt
endlich zu den Pony-Seen zu gelangen – eigentlich ein Höhepunkt der
Wienumrundung – marschiere ich nicht endend wollend entlang der jungfräulichen Betonmauer
der U2-Verlängerung, zur Linken ein Wohntraum im Kleingartenbereich, Sonnenuhren
an den Wänden, Krickerlschmuck, blecherne Carports.
Endlich kann ich die U2
unterqueren, ich komme in Richtung Quadenstraße zum Gasthaus Hansi, in dem ich
den Nachmittagskaffe einnehme. Morgen
gebe es Tanz mit Frankie Martin, jeden Mittwoch trifft sich hier die Sektion 2
der Donaustadt zum Stammtisch, und ein Speed-Date-Seminar wird ebenfalls
beworben.
Im 22. Bezirk gibt es noch
unbefestigte Straßen, wie die Bodadskygasse und die Grete Zimmergasse, über die
ich jetzt weiter ziehe. Keine Spur von der Markierung des Wanderweges, aber das
macht nichts, es wird hier anderswo auch nicht schöner sein. Neurisse,
Breitenleer Straße, Schottenobst - Obstbau aus den Klostergärten, gleich neben
dem Breitenleer Kircherl. Im Agavenweg stoße ich wieder auf den Stadtwanderweg
10. Gleich daneben ein tief eingegrabener Schotterteich mit wenig Schilf und
einigen hübschen Häusern, man könnte in Breitenlee auch nett wohnen. (Agave, Akazie,
Azalle, Schneeball, der Straßennamensgeber hat es hier mit Pflanzen). Ich stoße
an die S2 und irre ein wenig in der einbrechenden Dämmerung umher, insgesamt
überschreite ich die Schnellstraße dreimal, in Serpentinen nähere ich mich
einem riesigen Möbel Ludwig. Nun wäre es stimmig, hier noch mein Abendessen
einzunehmen, einen Grillteller mit Mägele-Kräuterbutter zum Beispiel, oder im
danebenliegenden Zgonc Berner (wenn es sowas wie ein Zgoncrestaurant gibt). Ich
gehe aber weiter und bekomme Zug zum Tor, über den Campingplatzweg geht es zu
meinem Ziel in Gerasdorf.
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