Dreikönigstag, 6. 1. 2014. 230 Meter Aufstieg. 29 km.
Wien bietet 13 Stadtwanderwege, oder sind es 14, wer weiß, und während das Gros entlang der Stadtgrenzen angesiedelt ist, gibt es zwei, die quer durch die Stadt führen, einer vom Kahlenbergerdorf nach Oberlaa, der andere, der unsrige, die Nummer 12, von Eßling nach Neustift am Walde. G. begleitet mich, ein passionierter Geher, und ich habe (dann sich als unnötig herausstellende) Bedenken, welches Tempo er wohl einschlagen wird. Die Anreise ist neu – via die Verlängerung der U2 nach Aspernstraße, und dann weiter mit dem Bus Richtung Groß Enzersdorf, der uns in Eßling hinausschmeißen wird.
Die Kirche in Eßling. links im Bild mein Mitwanderer G. |
Ich weiß, dass der Ausgangspunkt die Eßlinger Kirche (im übrigen ein äußerst apartes Bauwerk, dass seit Jahren den Putz verliert) ist, das Geläut ihrer Glocken weisen uns den Weg. Wir verlassen die Hauptstraße, und tauchen über die Kirschenallee und dem Eßlinger Sportplatz in die neue Eßlinger Vorstadt ein, in der sich ein ähnliches Haus an das nächste reiht. Heute scheint der traditionelle Tag der Christbaumentsorgung zu sein. Der Eßlinger, der Asperner, der Wiener (Christbaumentsorgung ist männlich) sind aber seriösere Christbaumentsorger als die Schweden, Finnen und Norweger, die das ja am 13. Jänner zu St. Knut tun, und wenn man der Werbung eines schwedischen Möbelhauses Glauben schenken mag, via Delogierung durchs Fenster. (Der hl. Knut IV., Christianisierer des Nordens mit leichten Hang zu Gewaltexzessen, wurde im 11. Jhdt. heilig gesprochen und ist der Patron Dänemarks, nicht von IKEA). Währen der Christbaum also heute das Zeitliche segnet, ist man noch weit davon entfernt, sich von der Weihnachts- und Winterdeko zu trennen. Neu sind mir jedenfalls die Lichterketten in Eiszapfenform und die stilisierten Rentiergeweihe auf Porzelanmöpsen in Vorgärten.
Aspern ist frei jedes gastronomischen Anspruchs. Wir vernachlässigen die Pfarrkirche St. Martin und den Löwen von Aspern, auch gehen wir nicht auf französische Spurensuche. Der Weg führt weiter Richtung des Mühlwassers, und einige Palmen stimmen auf die Ausläufer der Donauküste ein. Wir ergehen uns in einer architekturkritischen Diskussion. Während G. quadratische Fenster und Sichtschutze besonders abstoßend empfindet, spreche ich mich gegen braune Hausfarben aus, breche aber eine Lanze für Eternitfassaden. Wir werden von den Spuren einer agilen Biberpopulation am Mühlwasser abgelenkt, Spuren, die sich im übrigen bis auf die Donauinsel ziehen. Einige dem Biber wenig wohlgesonnene Personen haben Bäume mit Drahtnetzen und Alufolie (wahrscheinlich wegen der Biber mit Plomben) umwickelt und verhindern so ein großflächigeres Abholzen. BiberInnen sind leider scheu, von ihnen ist hier nichts zu entdecken, kein Biberbarthaar, kein Biberrücken ist zu sehen.
Wir gelangen schließlich zum Ufer der alten Donau. Hier ziehen Ruderinnen und Ruderer ihre Bahnen, es sind viele JoggerInnen unterwegs, hie und da hockt ein von der Sonne verzückter Spaziergänger an einer Mauer, eine ähnlich verzückte Spaziergängerin lehnt an der Leitplanke einer wenig befahrenen Straße und hat die Augen geschlossen. Wir sind ganz baff. Das Wasser ist klar wie ein Bergsee, und wahrscheinlich auch so kalt. Allerdings sieht man keine Fische, nur Scherben der vergangenen Silvestersause. Unser Ziel ist die U1 Station beim Vienna International Center, genauer der Würstelstand, den wir dort in Erinnerung haben. Der hat auch geöffnet, ist allerdings kein Würstel-, sondern ein Multifunktionsdürumhotdogpferdeleberkäsestand, aber auch ein Kebab sättigt. Hernach bewundern wir die neuen DC Towers, die einmal ein Hotel, Büros und Wohnungen beherbergen sollen und mit 250 Metern Wiens höchstes Hochhaus sind (nur der Donauturm ist um zwei Meter höher).
Auch die Donauinsel ist gut besucht, ein Polizeiboot saust an uns vorbei und am gegenüberliegenden Ufer hat sich rund um ein dort liegendes Schiff eine Traube Schaulustiger gebildet, die den Einsatz der Exekutive eingehend beobachtet. Über die Floridsdorfer Brücke queren wir die Donau, nehmen beim Kebab Stand einen Espresso und sind erstaunt, dass hier, in umittelbarer Nähe der Brigittenauer Kapelle, die Universal Edition beheimatet ist. Hinüber über den Donaukanal, an den hart arbeitenden Journalisten der Kronen Zeitung und am "Internationalen Pressezentrum", dem APA Hochhaus (dem traurigsten Haus Wiens) vorbei. Hier, in Sichtweite seines ehemaligen Krone-Partners Hans Dichand, habe Kurt Falk auf eigene Kosten in den Siebzigern eine riesige "Falk" Leuchtreklame installieren lassen. Ganz offensichtlich ein Mann mit Humor.
Der Weg steigt, ebenso wie die Kaufkraft der AnwohnerInnen, stetig an. An uns zischt in ihrem BMW Kombi die neue Familienministerin mit genervtem Gesichtsausdruck und Tochter am Sozius vorbei, ein bisschen später, schon im Weingarten, joggt der Präsident der Akademie der Wissenschaften samt Hund kurzatmig daher. In Neustift, es dämmert schon leicht, bewundern wir noch einen uralten Landrover, der an den Fenstern dicht mit Moos bewachsen ist.
Am Weg zum Bus, der uns zurück in die Stadt bringen soll, summen wir frohgemut die "Neustifter Polka" der Hirter Buam, frohgemut noch nie am hiesigen Kirtag gewesen zu sein und auch nie zu sein werden.
An und für sich habe ich ja keinen Hang zur Gesellschaftskritik, aber... |
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