Sonntag, 21. Mai 2017

After Work, auf die Reisalpe!


Hohenberg - Andersbachtal - Kashof - Stadler - Brennalm - Reisalpe Schutzhaus. 11 km, 970 Höhenmeter, 5 Stunden (laut Beschilderung auch in 3h machbar).
Reisalpe - Gscheidboden - Rotenstein - Klosteralm - Muckenkogel - Seilbahn - Lilienfeld. 16 km, 450 Höhenmeter, 6 Stunden.


Christbäume in Ottakring


Es ist Mitte Mai, und Ottakring erschüttert mich. Am Weg ins Büro entdecke ich am Straßenrand einen soeben entsorgten Christbaum, die meisten Äste sind feinsäuberlich abgesägt, und nur mehr einige wenige braune Nadeln hängen trostlos an ihm. Sein Kreuz hat er noch, der Christbaum, und so steht er aufrecht, aber nicht stolz am Gehsteig meiner Gasse.
Es fügt sich, dass ich an diesem Tage der Stadt und des Büros überdrüssig bin und einen Ausflug auf die Reisalpe geplant habe. Den Rucksack habe ich schon mit, die Stiefel sind geschnürt, noch sind einige Stunden dem österreichischen Wissenschaftssystem zu widmen, bevor ich ins Niederösterreichische entflüchte.


Einlullende Anstiege


Die Bahn bringt mich nach Sankt Pölten und anschließend nach Lilienfeld, der Bus weiter nach Hohenberg. Ins Creativdorf Hohenberg. Hier waren, an der Traisen, einst Hammer- und Gußwerke zu finden, und noch heute betreibt die voestalpine wenige Kilometer von hier die Gießerei Traisen. Mit dem Zug fährt man im übrigen durch das Gelände, und die aufgeräumte Verwahrlostheit des Werksgeländes steht im diametralen Gegensatz zum Hochtechnologie-Image ("hochwarmfeste Werkstoffe"), das mir die Homepage des Standortes vorgaukelt.



Entlang der Traisen, hier von einer Wehr aufgestaut, geht es am Denkmal des alten Hammerwerkes vorbei nach Norden. Hier begegnen mir noch einige Radfahrer, die mich dann in die Einsamkeit Andersbachtals entlassen. Es ist nicht mehr frühlingshaft, Sommer liegt in der Luft, und im Schatten, am Ufer des Baches, kann man ganz famos die Füße ins kalte Wasser strecken. Der Anstieg ist sanft, die Wiesen weit und menschenleer, und die Stadt entfällt mir rasch. Allerdings - der sanfte Anstieg ist trügerisch, ich bummle hier voreilig herum, denn nach etwa einer dreiviertel Stunde wird der Weg steil, viel steiler, und ich komme gehörig ins Schwitzen.

Man steigt in den Wald, und der Weg wird noch steiler. Dafür erhascht man dort und da Aussichten ins Tal, und blickt zufrieden auf das Geleistete. Ich muss gar oft rasten, und an einer dieser Raststationen verliere ich prompt meine schöne grüne Rogaska-Flasche, die  nachkommenden Wanderer werden in ihrem Vorgänger einen Schuft vermuten.

Grüne Hölle Andersbachtal

Fauna und Flora meinen es gut mit mir. Ein Reh, noch ein Reh, große Vögel (aus der Adler-Klasse, man nagle mich nicht fest), eine Schlüsselblume, ein blühender Apfelbaum, drei Ziegen, nur ein Hund. Der Wirt der Reisalpe erzählt mir dann später noch von Gemsen und Murmeltieren, und auch wenn ich dem Manne glaube, er hätte mir alles erzählen können, so froh war ich später, oben zu sein.



Der Ötscher ist nicht überall

Dann, wenn man nämlich glaubt, schon ganz nah am Gipfel zu sein, sind nämlich immer noch der eine oder andere Höhenmeter zurückzulegen, über zwei steile Wiesen unterhalb des Gipfels. Wendet man seinem Ziel aber den Rücken zu, so wird man mit tollen Aussichten in Richtung Schneeberg, Gemeindealpe, bis hin zum Großen Priel entlohnt. An dieser Stelle sei angemerkt, dass ich mir abgewöhnen muss, in jedem markanten Berggipfel den Ötscher zu sehen. Der Ötscher ist nicht überall.
Und endlich komme ich an, es ist knapp vor acht Uhr, und ich bin der einzige Gast, der an diesem Abend im Reisalpenschutzhaus nächtigen wird. Ich habe noch Zeit, den Sonnenuntergang und die grandiose Aussicht zu bewundern und lasse mir den kühlen Abendwind um die Nase pfeifen.  Knödel und Kraut. Und Nutellaschnitte. Ich hasse Nutella, aber die Schnitte war die beste Nutellaschnitte die man sich nur vorstellen kann.


Banzai!

30 verschiedene Wege und Steige  führen, so der Wirt, auf die Reisalpe. Ich wähle den, der mich nach Lilienfeld zum Zug führen wird. Ganz früh am Morgen allerdings nicht, erst um Sieben, und ich habe den Eindruck, dass mein Gastgeber nicht unglücklich ist, dass ich es nicht übertreibe mit dem Aufstehen. An diesem Tage bekommt die Hütte noch dazu zwei neue Mitbewohner - zwei Katzen, die von der herkulischen Aufgabe stehen werden, den Mäusen der Reisalpe den Kampf anzusagen. Banzai! möchte ich ihnen zum Abschied zurufen.

Reismäuer


Ich umwandere die Reismäuer (dort, wo die Gemsen zu Hause sind) und folge dem gestrigen Weg in Richtung Brennalm, um vorher auf einen wohl neu angelegten Forstweg hinunter zum Gscheidboden zu gelangen. Von hier geht es wieder durch den Wald, recht spektakulär, bergauf. Spektakulär sind nicht die Aussichten, sondern eher der wenig begangene Steig, eine Variante des Weitwanderweges 04, der mich hinauf in Richtung Muckenkogel führen wird.


Wo sind sie, die Nuri meiner Jugend.

Zwischenzeitlich mache ich auf einer Wiese Mittagsrast, im Rucksack habe ich noch Feigen und scharfe Fischdosen, die Feigen helfen, die Schärfe der Fische zu bändigen, kulinarisch schlüssig ist das natürlich nicht. Nochdazu sind die Dosen keine Nuri. Nuri sind ja seit bald 9 Jahrzehnten der Inbegriff für portugiesische Ölsardinen, quasi ein Synonym für Qualität.   Ach, Fischdose meiner Jugend....aber bevor ich mir zu viele Gedanken darüber mache, was portugiesische Sardinen in den niederösterreichischen Bergen verloren haben, mache ich mich in Richtung Klosteralm auf. Ein einsames Vergnügen, ich begegne den ganzen Vormittag nur einem eiligen Wanderer.

Auf der Alm beschließe ich, den Sessellift ins Tal zu nehmen,  und schaukle müde gen Lilienfeld. Bleibt noch einiges für das nächste mal am "Orchideenberg" (ich verfolge die Bemühungen des örtlichen Tourismusvereins genau: der 5-Klöster-Blick vom Muckenkogel, die 1202 gegründete Zistizienzerabteil Lilienfeld ("zur Ehre Gottes und zur Ehre der heiligen Gottesgebärerin Maria"), die Michi-Dorfmeister-Gedächtnis-Hauptschischule, das Museum des Skipioniers Mathias Zdarsky. Der war übrigens in Trebic geboren und schon der Vater des Wedelns wäre ein Deutscher gewesen, sagt mein Kollege F., aber das ist eine andere Geschichte.


Füße in Traisen


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