Ereignishaus Holzschlag - Plöckenstein - Dreisessel. 17 km, 650m Aufstieg
Christihimmelfahrt 2017. 17 km, 650m Höhenunterschied, 6 Stunden.
Eine Variante dieser Wanderung findet sich unter "Dem Mühlviertel aufs Dach gestiegen"
Seit Tagen bewirbt ein deutscher Privatsender sein Programm am letzten Wochenende im Mai als "das beste zum Vatertag." Ich habe mich vielerorts erkundigt, die ÖsterreicherInnen feiern ihre Väter gar nicht im Mai. Aber Väter sind eigenartige Wesen und feiern die Feste so wie sie fallen. Ich zum Beispiel nutze dieses Wochenende, um mit meinen Söhnen G&T (7 und 11 Jahre) nach Mordor zu reisen.
Anstatt eines Vorworts eine Handreichung für Menschen, die der Tolkien-Welt entsagt haben
Mordor...verdorrtes, verfaultes Land der Dunkelheit
Orks....schreckliche Kreaturen, die Menschen essen
Das Auge Saurons...Sauron ist der dunkle Herrscher, der Chef von Mordor. Das Auge ist sein Überbleibsel, mit dem er Mordor überwacht
Das tänzelnde Pony...ein Gasthaus, nicht am Rande von Mordor, hier für uns schon
Mordor liegt im Böhmerwald
Von der Endstation der Mühkreisbahn in Aigen/Schlägl sind es noch 17km zu Fuß nach Holzschlag. Kein Wunder, dass wir gerne das familiäre Taxi nutzen und uns zum Ereignishaus in Holzschlag chauffieren lassen. Beim Stift in Schlägl machen wir Zwischenhalt und besuchen wieder einmal die Schlägler Kerzenwelt. Von den lebensgroßen Figuren ist nur mehr der Hans Moser übrig, als Dienstmann steht er hinter der Kassa. Schmerzlich wird der wachsene Papst Benedikt XVI. vermisst, der der Welt des Kitsches im riesigen Shop einst gewissen Kontrast verlieh.
Im Gasthaus zum tänzelnden Pony in Holzschlag

Das
Tourismushaus Holzschlag blickt auf eine bald hundertjährige Geschichte zurück. Es wurde in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts vom Stift Schlägl erbaut und bietet Wanderer, Skifahrer und Schulklassen Herberge. Ein einsamer Wanderer und wir sind heute die einzigen Gäste. Neben der Schank liegen einige Prospekte, alte Gästebücher und die Lebenserinnerungen einer ehemaligen Pächterin des Tourismushauses, die mit ihren Eltern und Geschwistern das Gasthaus bis kurz nach den 2. Weltkrieg bewirtschaftet hatte. Damals waren bis zu 90 Personen mittags hier zu Gast, und Holzschlag ein beliebter Ort für Sommerfrischler und Wintersportler, die aus Budweis, aus Linz und Passau hierherkamen. Das Stift hatte das Gasthaus mit einem eigenen Kraftwerk ausgestattet, es wurde eine Landwirtschaft betrieben, Brot gebacken, Hochzeiten gefeiert und im Erdkeller ein Jahresbedarf an Kartoffeln gehortet. Welch ein Unterschied zur Abgeschiedenheit, die den Ort heute umgibt.
Entlang vom Klafferbach nach Norden
Am Morgen, entlang des Klafferbaches, in Richtung Norden, sind die Themenkreise der Wandergruppe mannigfaltig. Gianluigi Buffon. Der Zahlenraum über 30. Meine Erlebnisse beim Spiel LASK gegen Rapid 1993 (?), mit F., als ich irrtümlich für einen LASK Fan gehalten worden war. Ein Bird of Prey der Klingonen enttarnt sich vor uns auf dem Forstweg. Mich verwundert im übrigen, wie viele doppelseitige Laserschwerter man im Böhmerwald auffinden kann, Adalbert Stifter hat dieses Motiv seinerzeit völlig außen vor gelassen. Wir diskutieren, warum Rapid in den Augen vieler OberösterreicherInnen keine unterstützenswerte Mannschaft ist. Ich versuche zu verstehen, warum der Zwerg Gimli gerade eine angesagte Figur aus dem Herr-der-Ringe-Universum ist (und scheitere). Die Talstation des Schleppliftes auf den Hochficht sieht aus wie das "Schwarze Tor", der Zugang nach Mordor (die einen), sieht nicht aus wie das "Schwarze Tor", der Zugang nach Mordor (die anderen). Die erste Stunde verfliegt, ohne dass jemand nachfragt, wie weit es noch sei, wie lange es noch dauerte oder wieviele Kilometer man noch gehen müsse.
Der Ork von heute
Je näher wir Mordor kommen, desto öfter treffen wir auf kleine Gruppen von Moutainbikern. Der Ork von heute ist der Mountainbiker, beschließen wir, und fürchten uns nicht. "Die Ära der Mennschheit ist vorrüber!" meint ein Ork-Hauptmann in der "Rückkehr des Königs". Wenn man sich die mitgenommenen Radfahrerinnen ansieht, die an uns vorbeiziehen (und -schieben), ist das Zeitalter der Mountainbiker definitiv noch nicht gekommen. Jetzt beginnen die Fragen nach der verbeibenden Dauer und der ausstehenden Weite. Nach mehr als zwei Stunden biegen wir vom Feldweg ab, hinauf zum borkenkäferzerfressenen Gipfel des Plöckensteins.
Das Auge Saurons

Viel haben wir in der letzten Stunde über Mordor im Böhmerwald gesprochen. Vom Sturm Kyrill im Jänner 2007, der hier im Böhmerwald gewütet hatte, und vom Borkenkäfer, der hernach den Bäumen zusetzte. Je weiter man zur böhmischen Grenze kommt, die am Kamm entlang des Plöckensteins verläuft, desto mehr Totholz ist zu sehen, die Wege sind ausgespült, überall nackter Granit, und viele mächtige Bäume liegen entwurzelt am Wegesrand. "Papa, wann sind wir endlich in Mordor?" Ich hatte nicht zu viel versprochen, und wir steigen hinauf zum Plöckenstein. Kurz vor dem Gipfel kommt es zu ersten Meutereien. Man droht mir mit der ewigen Verdammnis und mit dem Enterben, wenn es noch weit bis zum Ziel sei (am Dreisessel-Schutzhaus, dort wo Oma und Opa mit dem Auto - und Omas Kühltasche warten), und mit letzter Kraft schleppen wir uns zum Gipfel. Das Auge Saurons dort ist das Gipfelkreuz, was als etwas enttäuschend empfunden wird, und hier, an der tschechischen Grenze, machen wir Mittagsrast.
Expertenmeinungen zur Wanderung: Mehr Magma.
G, wie war die Wanderung?
Cool. Es war voll anstrengend. Mordor war klasse, und klar will ich wieder einmal wandern gehen. Aber nie wieder 17 Kilometer.
T, Deine Meinung zu Mordor?
Anstrengend, aber auch lustig. Besonders mein Bruder, weil er hin und wieder eine Mimose ist. Wann du mir das nächste mal sagst, wie weit es wirklich ist, gehe ich wieder mit. Um wirklich Mordor zu sein, bräuchte es dort mehr Magma.
Zwischen Gondor, Rohan und Bruchtal
Hier am Nordwaldkamm, stoßen Österreich, Bayern und Tschechien zusammen. Wir diskutieren, ob es notwendig gewesen wäre, Pässe mitzunehmen, und erfreuen unseres Rechts auf Freizügigkeit, innerhalb Europas zwischen den Ländern herumzuhüpfen wie es uns gerade in den Sinn kommt. Der Weg ist beschwerlich, man springt von Stein zu Stein, und G+T haben ihre alte Frische wieder. Kein Knurren mehr, keine einzige Frage nach dem Rest des Weges. Uns begegnen tschechische Wanderer mit einem gebrochenen "Hallo", Bayrische mit einem "Servus" wie es sonst nur Old Shatterhand im Schuh des Manitou konnte, die OberösterreicherInnen mit einem mehr als schneidigen "Griasseng". Ein paar Bobos haben sich auch hier herauf verirrt, Bobos grüßen nicht. Der Weg vom Plöckenstein zum Dreisessel ist mit 2 1/2h nicht zu kurz angegeben, zur rechten Tschechien mit dem Plöckensteiner See, dem Stifter Obelisken, der Moldau, zur linken sieht man hinein ins Alpenvorland Österreichs und Bayerns.
Am Dreisessel
Endlich am Dreisessel angelangt werden wir noch Zeugen der bayrischen Staatsmeisterschaft im Bergfahren der Radfahrer/innen. Auch vor diesen bunt gekleideten Orks fürchten wir uns nicht. Die Söhne eines berühmten deutschen Schauspielers sind unter den Startern, und uns fällt partout sein Name nicht ein. Dr. Google, der sonst alles weiß, ist keine große Hilfe, denn "deutscher Schauspieler" und "große Nase" sind nicht hinreichend, um den guten Mann zu identifizieren. Es gibt verblüffend viele deutsche Schauspieler mit großer Nase. Jedenfalls zu jung, um den Liebhaber von Thekla Carola Wied zu geben und zu alt, um noch als jugendlicher Liebhaber besetzt zu werden. Dieses Rätsel bleibt ungelöst, und mit gefühlten 100 Orks verlassen wir wieder das Dreisessel-Schutzhaus.
Hernach
Der deutsche Privatsender gibt am Abend die rechte und die linke Hand des Teufels (Enzo Barboni, Italien 1970). Eine Parabel über Geschwisterliebe, Zivilcourage und lange Unterhosen. Ein würdiger Abschluß des Tages.
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