26. Oktober 2012. 21 km, 63 m Aufstieg, 108 m Abstieg
Der Weg ist selbstdesignt und versucht, Bundesstraßen zu umgehen. Er führt über die Moststraße und teilweise über den Mostviertelrundwanderweg. Ausschließlich ziehe ich über Asphalt und über Feldwege. Ich beginne, von den äußeren Umständen immer eingeschränkter zu werden. Es wird früher finster und später hell. Es kommen jene Flüsse - Enns, Traun, Ennskanal - die ich beim besten Willen nicht furten könnte. (Gut, ich hätte nicht einmal die kleine Erlauf gefurtet). Es werden Geländeeinschränkungen - A1, Westbahn - wichtiger; gut, nicht dass ich bis dato frei durch die Wildbahn spaziert wäre, aber das sind alles zu berücksichtigende Faktoren.
Fit mach mit
Ich übernachte - wegen der einfacheren und kürzeren Anreise - am Abend zuvor in Oberösterreich und fahre morgens gen Haag. Durch den Feiertag ist allerdings der Morgenzug gestrichen und ich erreiche Haag erst nach neun Uhr.Tag der Fahne |
Seltsame Männer in Sankt Valentin
Um mein Mittagsmahl einnehmen zu können mache ich einen Umweg durch St. Valentin - Ort. Die St. Valentiner verstören mich. Nicht, dass die Häuser nicht gepflegt und die Gärten von herbstlichen Laub befreit wären. Nicht dass sich die Häuser in St. Valentin sehr von Häusern, sagen wir in Laaben, sehr unterscheiden würden, im Gegenteil, sie wären austauschbar. Ich reite also in St. Valentin ein und sehe bei einem der ersten Häuser, wie ein älterer Herr in seinen Sechzigern, gewandet in einem typischen Freizeitanzug (nämlich einem Trainingsanzug) auf den englischen Rasen seines Vorgartens uriniert. Leicht beschämt blicke ich zu Boden, nicht ohne mich verstohlen zu vergewissern, dass das alles wahr ist. Keine 300 Meter später erfreut der japanisch anheimelnde Garten eines Vierkanthofes mein Auge. Und wieder. Der hauseigene Großvater (Umschreibung der Person) nestelt an seiner Hose um gewisse Dinge rasch zu erledigen. Und beide eher mittig, nicht am Rande des jeweiligen Gartens. Vielleicht sucht St. Valentin zur Zeit eine massive Blasenschwäche heim.In der Taverne
Ich brauche nicht lange zu suchen, um ein mich ansprechendes Gasthaus zu finden, die 'Taverne' St. Valentins. Ich widerstehe der angebotenen Maurerforelle auf der Karte und entscheide mich für eine Hasensuppe, kurz und griffig am besten mit einem Hasengulasch (eher auf der Preiselbeerseite) zu umschreiben. Obgleich mich ein Schrotkorn und seine Auswirkungen seitdem quälen bereue ich den Besuch nicht. Auf meine Frage, ob es auch eine Nachspeise gebe war die Amtwort "In St. Valentin woins ka Nochspeis!". Aso.Der letzte lebende Fan von Bimbo Binder
Der Grund für meine Freude über die Auswahl des Gasthauses ist schlicht der dort ansässige Stammtisch. An diesem springt man innert wenigen Minuten, ich möchte fast sagen Sekunden, von 'Rapid', zum 'ORF', zum 'Spritzen der Wintergerste', zu unaussprechlichen 'Themen', zu 'Viagra', zur 'Luftschutz-Res'', zur 'Reeperbahn', zum 'Aufwärmen von Eierspeisen', zur 'Sauna'. Die Werbeaktion für die "Nackten Männer" im Leopold Museum durfte nicht fehlen.Versuchen wir die Themen in ihren Höhepunkten zusammenzufassen.
- Heute fahre man jedenfalls nicht man gerne zu Rapid-Matches. Als der Bimbo Binder noch gespielt hätte, das wäre was ganz anderes gewesen. [Binder hat 1949 sein letztes aktives Speil für Rapid bestritten, Anmerkung des Autors].
- Rudolf Edlinger sponsere Rapid. Mit diesem Sponsoring sei das Unglück über Rapid hereingebrochen.
- Die seinerzeitige Reise nach Hamburg mit dem St. Valentiner Musikverein sei etwas ganz besonderes gewesen. Höhepunkt: Die "Luftschutz-Res'" hätte man auf der Reeperbahn mit den Inhhalt eines "Scherbns" überschüttet.
- Wintergerste sollte man jetzt spritzen und somit vom Unkraut befreien, bei Wintergetreide genüge das Frühjahr.
- Ein Vertreter der Runde geht gerne in die Sauna. Zu diesem Behufe nehme man einen Topf warmer Kartoffeln ("im Kelomat bleibns woarm"), und den Speck vom Wagner ("Speck wia ein Butter") mit. Das würde den Saunabesuch abrunden.
Die Landschaft verändert sich
Erste Spuren der Industrie |
Abseits der Landwirtschaft muss mir bewusst werden: Jetzt beginnt der Weg, der mich an industriellen Nutzbauten und ihren Produkten vorbeiführt. So komme ich am Firmengelände der Atlas Power Crusher vorbei, die Brechanlagen erzeugen. Das erfreut das infantile Element in mir.
Auch sehe ich meine ersten Lagerhaustürme.
Liebreizendes Wimm!
Liebreizendes Wimm! Ich durchschreite Wimm und erfasse es, von Wimm 1 bis Wimm 9. Den Nahverkehr übernimmt die Firma Deuschl, und jeden Sonntag gibt es Flohmarkt. Ich erkenne in der Ferne den Hartlauer Turm, den jeder, der entlang der Westautobahn reist, muss ihn kennen, und zum ersten mal erblicke ich ihn von hinten.Die älteste Stadt Österreichs
Enns ist die älteste Stadt Österreichs und wirbt schamlos damit. Man sollte hier auch an die zweit- (Wien) und drittplatzierten (Eferding!!) denken. Beim Überschreiten der Ennsbrücke finde ich einen Gedenkstein. Er erinnert daran, dass hier bis August 1955 die russischen Besatzungsmächte stationiert waren, die Brücke teilte die Besatzungszonen. Der Stein fördert wiederum meine Erinnerung, warum am 26. 10. Nationalfeiertag ist....
Woran Enns noch arbeiten sollte ist die Ausschilderung des Bahnhofes. Die Bijouterie Gablonzer oder die Jausenstation Waldhäusl wird mit einem Schild bedacht, der Bahnhof Enns aber nur einmal und das auch eher verschämt. Grund genug, mit dem Bus nach Hause zu reisen. Dabei reise ich an der Zuckerfabrik Enns vorbei und erkenne, dass meine Oma mich nicht angelogen hat: Die Zuckerrüben, die reisen nach Enns.