Samstag, 20. Oktober 2012

Die Klammer - Teil II: Die Farbe meines Eigenheims

Arik Brauer bewies ein feines Gespür für die österreichische Seele, als er einen Großteil seines gesanglichen OEuvres auf den Bau von Einfamilienhäusern abstellte ("Glaub nicht an das Winkelmaß", "Sie hanb'n a Haus baut" u.ä.). Denn Paula Preradovic irrte, als sie in der österreichischen Bundeshymne das Eigenheim unerwähnt ließ. Vielgeprüfte Hämmer, umfehdete Äcker, arbeitsfrohe Dome. Aber keine Einfamilienhäuser. Preradovic hat einen Fehler gemacht.
Wenn ich an all die Neubauten, Umbauten und Renovierungen denke, die ich auf meinen neun Etappen bisher gesehen habe, scheint mir das eine unverzeihliche Fehleinschätzung zu sein.

Wiederholung als Stilelement der österreichischen Architektur

Der (norddeutsche) Architekt Holger Reiners sagt in einem Interview im SPIEGEL: "Die Architektur versinkt zurzeit in einer Belanglosigkeit der permanenten Wiederholung." Er sagt aber auch, dass es einen Streit zwischen 'Traditionalisten' und 'Rechtwinkelfetischisten' gebe. Ich halte dieses Urteil für zu apodiktisch, obgleich sich Trends in diese Richtung über die Jahre sicher nachzeichnen ließen.
Eins ist etwa sicher: Die TraditonalistInnen sind mit dem Tirolischen in der Architektur des Alpenvorlandes am absteigenden Ast. Eine Zeit lang musste jeder Neubau ausschauen wie das Gasthaus Tirolergarten im Tiergarten Schönbrunn oder das Ferienhaus von Fiona Pacifico Griffini-Grasserin Kitzbühel. Die Zeiten sind vorbei. Der massive Einsatz von Holz, v.a. am Balkon,  massive, mit Schnitzereien verzierte Balken am Dachstuhl sind bei Neubauten kaum mehr zu sehen. Auch Erker und Wetterhähne sind nicht mehr up to date.
Aber versuchen wir das ganze ein wenig systematischer anzugehen.

Was beim Haus von heute megaout ist

Der wackere Häuselbauer von gestern hat noch gerne auf Eternitfassaden gesetzt. Die Wetterseite des Hauses mit Eternit zu verkleiden war mehr als beliebt. Heutzutage ist das megaout.
Mit Wehmut sehe ich auch das Verschwinden des Panoramafensters. Das waren nach außen von der Fassade abgesetzte Fenster (quasi Minierker) ohne störende Sprossen, die einerseites einen großflächigen Ausblick (meist auf die Tujenhecke) bieten konnten und durch einen erhöhten Einfall natürlichen Lichts zu einer angenehmen Raumatmosphäre beitragen sollten. Faktisch waren aber die  Panoramafenster und die breiten Fensterbänke mit einer Landschaft voller Zierpflanzen zugepflastert, so fand dort etwa die heute zu Unrecht in fast in Vergessenheit geratene Senseveria ihre Heimat.
Und wer gestaltet heute den Stiegenaufgang seines Hauses noch mit Glasbausteinen? Was vor zwei Generation noch state of the art war ist de facto bei Neubauten verschwunden.
Auch baut man heute keinen Bungalow mehr. Ein Mordopfer, das bei Derrick auf sich hielt, wohnte in einem Bungalow. Das Dach war in schwarzem Eternit verkleidet und im Vorgarten ein Traum von Buchs. Heute gibt es keine Bungalows mehr, auch weil man die Häuser in weiser Voraussicht so dimensioniert, damit sieben Kinder und drei bis vier Generationen darin leben können. Das geht halt in eingeschossigen Anwesen nicht, auch wenn der Quadratmeter Grund nur 25 Euro kostete. Der Bonner Kanzlerbungalow steht, by the way, seit mehr als 10 Jahren unter Denkmalschutz.
Die Farbe Grün ist im Hausbau nicht mehr das, was es einmal war. Eine Zeit lang, ich würde sagen vor 10 bis 15 Jahren, hat eine BauherrIn, die auf sich hielt, grüne Fenster mit grünen Fensterbrettern geordert. Das lockerte auf, das setzte Akzente. Heute sieht man das nur mehr äußerst selten, Tendenz megaout. Schönbrunnergelb ist als Hausfarbe ebenso nicht mehr in Mode. Und zu den Fenstern: Sprossen scheinen nicht mehr 'in' zu sein. Nicht näher gehe ich auf die Themen Strukturen im Putz und Granitsäulen ein. Ein Wort verlieren möchte ich allerdings über das Verschwinden des Wandgemäldes. Archetypisch: Der heilige Christophorus beim Überschreiten eines Flusses, das Jesukindlein auf der Schulter. Das letzte mal gemalt wohl 1982. Fassen wir also zusammen:

Out

  • Eternitfassade
  • Glasbausteine
  • Panoramafenster
  • Bungalow
  • Grün als Stilelement
  • Fenstersprossen
  • Erker
  • Wetterhähne 
  • Granitsäulen
  • Strukturen im Putz
  • Wandgemälde


Uneinigkeit bei BauherrInnen

Es gibt auch einige Elemente, da sind sich die österreichischen BauherrInnen unsicher, ob man sie im Neubau einsetzen sollte oder nicht. Dazu gehört einmal die Fasche ums Fenster. Eine Fasche ist eine oft nur in Farbe abgesetzter Streifen rund ums Fenster. Klassiker: Gagerl- oder schönbrunngelbes Haus mit weißen Faschen um die Sprossenfenster. Während die Sprosse bereits als megaout geoutet wurden, trennt sich die / der BauherrIn nur ungern von der Fasche, daher gehört sie in die Kategorie  "Uneinigkeit".
Die ersten Etappen war ich mir sicher - das Flachdach ist megaout, allerdings war es dann ab Scheibs wieder vermehr zu sehen. Meine Vermutung: Photovoltaik und Solarthermie sind hier gut unterzubringen, daher ist das Flachdach dann doch nicht am absteigenden Ast.
Ebenso in diese Kategorie gehören Wintergärten, wobei ich rund um das Thema "Passivhaus" zu unbedarft bin um zu wissen, ob der Wintergarten eher gut oder schlecht ist (wohl letzteres). Jedenfalls habe ich neue Wintergärten gesehen.

Uneins sinds!


  • Fasche
  • Flachdach
  • Wintergärten

Was im Neubau 'In' ist

Im Gegensatz zu den oben zitierten Reiners glaube ich nicht daran, daß nur die Architekten Schuld an permanenter Wiederholung sind. Nicht zu gering einschätzen möchte ich die Rolle der Wieselburger Messe (Bau & Energie, die nächste ist Ende September 2013) sowie der Dach- und Anstreichlobby.

Zu den Dächern. Welleternit hat ausgedient, ebenso altbackene Farbgestaltungen. Das Dach von heute (sei es von Bramac, Bogner o.ä.)  glänzt und ist kräftig in der Farbgestaltung. Auch einige zweifarbige Dachschindeln wurden entdeckt, auch schon zweifarbige, die ausschauen wie Schindeln mit Mäsche.

Zur Farbgestaltung: Mutig war man in Österreich, was die Farbgestaltung von Gebäuden betrifft, schon immer. Schönbrunn etwa erstrahlte im 18. Jahrhundert in einem kräftigen Rosa. Gerne erinnere ich mich auch an meinen ersten Besuch in der Südsteiermark, bei dem ich mich an den orangen, blauen, pastellig oder kräftigen Hausfarben derart satt gesehen habe, dass ich im nachhinein Similasan Augentropfen benötigte. Ich sage: Die Zeiten der Farborgien sind vorbei. Die Farben des Jahres sind Grau und Weiß, aber immer verbunden mit farblichen Akzentuierungen aus Orange oder Rot, nicht kräftig, aber doch hervorstechend.


A la  mode
Mit dem Stilmittel Holz wird spärlich umgegangen, höchstens am Carport, am Vordach zum Eingang oder eine Säule am Balkon. die Fenster sind in der Regel grau und, wie gesagt sprossenlos. Vom Wiener Speckgürtel bis Haag, so wird heute vorrangig das Eigenheim angefärbelt. Zuerst dachte ich noch, es könnte mit der Fertighausindustrie zusammenhängen, die solche Farbkombinationen vielleicht bevorzugt anbietet, aber weit gefehlt: Auch bei Renovierungen werden solche Kombinationen nicht selten eingesetzt.

Fazit: Wahrscheinlich müsste ich durch Vorarlberg wandern, um mutige Architektur zu sehen, im Voralpenland tut man das nicht. Ich sollte mehr im ORF Lebens(t)räume ansehen, um eine zweite Meinung einzuholen - oder das Schreiben über Architektur Friedrich Achleitner und seiner "Österreichischen Architektur im 20. Jahrhundert" in vier Bänden überlassen. Vom vierten Band sagt Achleitner, den sollten Jüngere schreiben. Und folgerichtig ist der vierte Band noch nicht erschienen, und der handelte - von Niederösterreich.

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